Villa Reinhardt

Brandstraße 14

Villa Reinhardt, erbaut 1895-97

(1932, AK: Slg. R. Boehm)

1895 bis 1897 ließ der „Königlich Sächsische Kommerzienrath“ Friedrich Wilhelm Reinhardt aus Leipzig, Direktor der Riebeckschen Bierbrauerei in Reudnitz bei Leipzig, diese Jugendstil-Villa nach Plänen des Architekten Meienberg durch Maurermeister Friedrich Kälz als Sommerresidenz errichten.

Kommerzienrat Reinhardt lässt sich die Verschönerung seiner Geburtsstadt etwas kosten

(1900, AK, : Slg. R. Boehm)

Friedrich Wilhelm Reinhardt (genannt "Fritz" Reinhardt) wurde 1844 in der heutigen Marktstraße Nr. 18 / Ecke Reinhardtsgasse als Sohn eines Seifensiedemeisters in  Sachsa geboren. Er arbeitete sich zum Mit-Inhaber der Riebeck'schen Bierbrauerei in Leipzig hoch und setzte einen Teil seines Vermögens für soziale Zwecke und die Verschönerung seiner Geburtsstadt ein. Für 12.000 Goldmark ließ er ab 1910 den Schmelzteich vergrößern und machte ihn damit zu einem repräsentativen Teil des Kurbetriebs. Zu dem Zeitpunkt durfte sich Sachsa schon fünf Jahre mit dem Titel „Bad“ schmücken. An Reinhardt erinnern in Bad Sachsa übrigens noch der „Reinhardtsweg“, der „Reinhardtsbrunnen“ und die „Reinhardtsgasse“ zwischen Markt- und Uffestraße, an deren Ecke sein Geburtshaus Marktstraße 18 steht. 

Leben im Park

(1893, Zeichnung: Slg. R. Boehm)

Das Grundstück erstreckte sich zu Reinhardts Zeiten dreieckig zwischen der Brand-, Park- und Moltkestraße und war ca. 11.000 qm groß.

1935 wurde das riesige Grundstück parzelliert. Die Villa ist auf diesem Kartenausschnitt von 1893 mittig auf dem dreieckigen Grundstück zu finden.

Ein echter Selfmade-Millionär

Reinhardt, 1844 in Sachsa geboren, hat viel für seine Vaterstadt getan und wurde schließlich 1912 auch ihr Ehrenbürger. Der Aufstieg des Seifensiedersohnes vom Brauer zum Brauereidirektor ist bemerkenswert. 
Friedrich Wilhelm Reinhard war Mitbegründer und erster Vorsitzender des 1893 gegründeten „Deutscher Braumeister- und Malzmeisterbund - DBMB“. Er führte den Vorsitz bis zu seinem Lebensende 1920. Von 1920 bis zum Verbot des DBMB 1933 war sein Sohn, der ebenfalls Direktor der Riebeck‘schen Brauerei war, Präsident des DBMB. Der DBMB wurde 1948 neu gegründet und existiert bis heute. 

Eine Anekdote erzählt, dass Friedrich Wilhelm Reinhardt gemeinsam mit seinem Chef, dem Inhaber der Brauerei Riebeck zu Leipzig-Reudniz ein Fräulein kennenlernte, das beiden gefiel. Die Entscheidung der jungen Dame fiel zu Gunsten Fritz Reinhardts aus. Die frischgebackene Frau Reinhardt brachte 1871 als Mitgift ein kleines Vermögen von 1.000 Goldmark mit in die Ehe, mit dem Fritz Reinhardt Anteile an der Riebeck’schen Brauerei kaufte, die ihn zum Mitinhaber der Firma machten.

Diese Anteile, eine Gewinnbeteiligung und sein außerordentlicher Geschäftssinn machten ihn zu einem reichen Mann.


Reinhardt starb 1920, seine große Villa wurde „Haus Schauinsland“ und Mädchenpensionat des General-Leutnants von Dressler und Scharfenstein. 
Nach ihm benannt wurden die "Reinhardtsquelle" im Kuckanstal und der "Reinhardtsweg". 

Spätere Besitzer der Villa Reinhardt war unter anderem die Familie Michel, die – ähnlich Lohoff, Beyermann oder Börgardts – einen Betrieb in einem Nachbarort, in diesen Fall Osterhagen, hatten, aber Bad Sachsa als Wohnort bevorzugten. 

Das Bild zeigt Reinhardt mit dem letzten König Friedrich August III. von Sachsen bei einem Besuch der Riebeck'schen Brauerei.


Bad Sachsaer Nachrichten vom 4. Februar 1913. Die Sachsaer Nachrichten zitieren die Leipziger Neueste Nachrichten (…) Über die Besichtigung der Riebeck´schen Aktien-Brauerei schreiben die Leipziger N. N.:

 

Der König begab sich mit seiner Begleitung um 9,25 Uhr vom Palais durch die Goethestraße (…) nach der in der Mühlstraße gelegenen Leipziger Bierbrauerei zu Reudnitz Riebeck & Co. Aktiengesellschaft. Hier wurde der König vom ersten Direktor, Herrn Wilhelm Reinhardt, willkommen geheißen. Der Anblick, der sich dem König bot, erregte seine besondere Freude. Vor einem mit Wappenschmuck versehenen Riesenoblisken hatten sich die Jubilare des Hauses – mehr als 50 – aufgestellt. Auf der anderen Seite standen, zur Abfahr bereit, etwa 30 vollbeladene, festlich geschmückte Geschirre. Diesen wendete der König, nachdem ihm die Herren des Aufsichtsrates, an ihrer Spitze der Senior, Herrn Kommerzienrat Reinhardt, dem die Brauerei in erster Linie ihren Riesenaufschwung verdankt, sowie ferner Herr Kommerzienrat Waselewsky zu und mit Wohlgefallen betrachtete er die stadtbekannten kräftigen Riebeckpferde.

(…) die Führung war derart arrangiert, daß sie nicht ermüdete und daß noch eine halbe Stunde Zeit zum Verweilen im behaglichen Braustübl der Brauerei übrig blieb, woselbst der König Gelegenheit nahm, seiner Freude über das Gesehene Ausdruck zu geben. Es wurde hier ein Imbiß serviert und neben der Bachusgabe auch eine Kostprobe vom „guten Riebeckbier“ auf die Tische gestellt, über das sich der König sehr lobend aussprach. Die Unterhaltung ging auch auf andere Gebiete über. Es gefiel dem König sehr wohl im Braustübl.*  (…) Auch wurden die Herren Kommerzienrath Reinhardt und Direktor Reinhardt zur Königlichen Tafel geladen.

*Anmerkung des Heimatmuseums: Es mag wohl sein, dass es in dem König im Braustübl gefiel. Allerdings soll er dort kein Bier getrunken, sondern Burgunder verlangt haben, wie Nachfahren Friedrich Reinhardts berichten.

Adel verpflichtet?

In der Reinhardt‘schen Familie wurden einige Anekdoten über die Begegnungen mit dem König von Generation zu Generation weitergegeben.

 

Um für den hohen Besuch bestmöglich gerüstet zu sein, wurde beispielsweise eigens die Toilette des Hauses renoviert und mit einem feinen, gepolsterten Sitz ausgestattet. Außerdem ließ Frau Reinhardt, da der alte Frack ihres Gemahls in die Jahre gekommen war, einen neuen schneidern. 
Als der große Tag gekommen war, konnte Friedrich Reinhardt den neuen Frack nicht vom alten unterscheiden und griff zum falschen Anzug. Und dann musste der König noch nicht einmal auf die Toilette... 

Ein echter Freund

Der Unternehmensbroschüre der Brauerei Neunspringe aus Worbis mit dem Titel „150 Brautradition“* können wir auf Seite 15 folgenden Bericht entnehmen:

 

„Die Rettung durch den Walz-Freund

Aller Anfang ist schwer und auch wenn sich Carl Kuntze noch so redlich um den Erfolg seiner kleinen Brauerei bemühte und offensichtlich über ein weit verzweigtes Absatzgebiet verfügte, das große Geld verdiente er nicht. Die Konkurrenz aus Worbis und dem restlichen Eichsfeld war schlichtweg zu groß.

In der Zeit erinnerte sich Kuntze an seinen ehemaligen Walzbegleiter Friedrich Reinhardt. Dieser hatte sich in der Zwischenzeit bis auf den Direktorenposten in der Leipziger Bierbrauerei zu Reudniz, Riebeck & Co. hochgearbeitet. Dort hatte er nicht nur maßgeblichen Einfluss darauf, dass die Brauerei von einem Insolvenzfall zur größten Brauerei Sachsens und viertgrößten deutschen Brauerei überhaupt aufstieg, sondern verdiente dank seiner Gewinnbeteiligung auch ein Vermögen. Kuntze machte sich auf den Weg nach Leipzig, um seinen alten Freund um Rat zu bitten. 

Wie sich das Wiedersehen abspielte, ist nicht überliefert, doch begleitete Reinhardt ihn zurück nach Worbis. Im beschaulichen Eichsfeld angekommen, verschaffte sich Reinhardt einen Überblick und schien das Problem schnell zu erkennen: die Produktionsanlagen in der kleinen Worbiser Brauerei waren nicht konkurrenzfähig und die Herstellungskosten zu hoch. Welch ein Zufall, dass Reinhardt just zu diesem Zeitpunkt plante, die Maschinen seiner stetig wachsenden Brauerei durch noch größere und modernere Anlagen zu ersetzen. Um seinem geschätzten Freund Carl zu helfen, kaufte er kurzerhand die ausrangierten Maschinen, ließ sie nach Worbis transportieren und in der Brauerei Neunspringe aufstellen. Doch damit nicht genug. Zusätzlich setzte er bei seinen Lieferanten durch, dass sie die kleine Brauerei in Worbis zu den gleichen Konditionen belieferten, die er in seiner Leipziger Großbrauerei erhielt.

Ab diesem Zeitpunkt wendete sich das Blatt für die Brauerei Neunspringe. (…)“ 

 

*verfasst von Ulrike Ehbrecht und Norman Lippert

Zeitungsartikel aus den Bad Sachsaer Nachrichten vom Donnerstag, 8. Januar 1920

Kommerzienrat Reinhardt †

Sachsa. Am 4 Januar 1920 ist in Leipzig an einem Schlaganfall unser allseits verehrter und geschätzter Ehrenbürger Kommerzienrat Friedrich Wilhem Reinhardt verstorben. Er ist fast 76 Jahre alt geworden. Im Jahre 1844 in Sachsa als Sohn des Ackerbürgers* W. Reinhardt geboren, besuchte er bis zu seinem 15. Lebensjahre die Bürgerschule und erlernte alsdann in Nordhausen das Braugewerbe. Dem damaligen Handwerksbrauche gemäß ging Reinhardt auf Wanderschaft und arbeitete in Dresden, Berlin und Hamburg. Mit 22 Jahren wurde er in Hamburg Oberbrauer. Von da ging er nach Wien in die damals größte Brauerei des Kontinents von Dreher, um die Wiener Braumethode, welche zu jener Zeit die berühmteste war, kennen zu lernen. Von da ging er als Braumeister nach Liegnitz**, woselbst es ihm durch Herstellung vorzüglicher Biere innerhalb 2 Jahren gelang, den Umsatz der Brauerei zu verdreifachen. Infolge seiner rastlosen Tätigkeit und eisernen Energie brachte er alsdann in Chemnitz den Umsatz der dortigen Brauerei auf 70.000 Hektoliter pro Jahr, was zur Folge hatte, daß die Dividenden von 2 auf 18 % stiegen. Durch diese außerordentlichen Erfolge erwarb sich Herr Reinhardt in der Brauwelt einen Namen. Er wurde Direktor der Riebeck’schen Brauerei in Leipzig Reudnitz, der es in der Zeit des achtjährigen Bestehens nicht gelungen war, eine Dividende zu erteilen. Den unermüdlichen Bemühungen und den großen Fachkenntnissen des Herrn Reinhard gelang es schließlich, den früheren Umsatz dieser Brauerei von 70.000 auf 270.000 Hektoliter zu steigern. Die Rentabilität des Unternehmens ging dadurch derart in die Höhe, daß der Kurs der Brauereiaktien auf 216 stieg! Die Produkte der Riebeck’schen Brauerei waren bald weit über unseres Vaterlandes engeren Grenzen hinaus geschätzt und begehrt. In Anerkennung seiner großen Verdienste wurde Herr Reinhardt bei Umwandlung der Kommanditgesellschaft in eine Aktiengesellschaft persönlich haftender Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer. Im Jahre 1883 besuchter König Albert die zu einem Musterinstitut ausgebaute Brauerei und sprach Herrn Reinhardt höchstes Lob aus.

Für die Beamten und Arbeiter, damals 5-700, war Herrn Reinhardt unermüdlich tätig. Er gründete einen Unterstützungsfonds von 244.000 Mark und sorgte für Zuwendungen der Hinterbliebenen. Er sorgte für leichte Beschäftigung an alt gewordene Arbeiter und ferner durch Zuzahlung zur Alters- und Unfallrente, daß diese die Höhe des letzten Lohnes erreichten. In dieser Brauerei gab es keine Streiks, viele Arbeiter feierten ihr 25jähriges Jubiläum.

Seiner Vaterstadt Sachsa hat Herr Reinhardt stets große Anhänglichkeit und Treue bewiesen. Im Jahre 1890 legte er seinen rund 12 Morgen großen Park an und bebaute diesen 1895. Es fehlte ihm etwas, wenn er im Jahre nicht mehrere Monate in seinem lieben Sachsa weilen konnte. Er zahlte diesem freiwillig jährlich mehrere tausend Mark Steuern und gehörte so zu den höchsten wenn nicht zum höchsten Steuerzahler. Er wandte 1912 zur Vergrößerung und Verbesserung des Schmelzteichs 12.000 Mark*** auf, er legte selbst den sog. Reinhardtsbrunnen an, der der städt. Wasserleitung zugute kommt, er leistete die Hauptzahlung für das Kriegerdenkmal an der Kirche, er sorgte teils selbst, teils durch Zahlungen für Wegverbesserungen und er zahlte ferner alljährlich für Wohltätigkeitszwecke größere Summen. Wie im öffentlichen so ist Herr Reinhard auch im Stillen ein Wohltäter gewesen; er hat manche Träne getrocknet. Dem Grundsatz „Treue um Treue“ entsprechend ernannte ihn Bad Sachsa 1911 zum Ehrenbürger. 

Der Name des Kommerzienrats Reinhardt wird in der Geschichte seiner Vaterstadt fortleben und seiner wird man allezeit in hohen Ehren gedenken. Friede seiner Asche!

 

* sein Vater war Seifensiedemeister

** heute in Polen

***Schmelzteich-Sanierung: 12.000 Mark waren ca. 100 Monatslöhne eines Facharbeiters